Mache ich mich strafbar, wenn ich eine Gefährdungsbeurteilung gemäß Arbeitsschutzgesetz nicht durchführe?
Auf was kommt es denn an?
➜ …ob es sich hierbei tatsächlich um eine Straftat oder „nur“ um eine Ordnungswidrigkeit handelt.
Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, für die das jeweilige Gesetz als Rechtsfolge eine Geldbuße vorsieht.
Strafbar handelt, wer durch eine vorsätzlich durchgeführte rechtswidrige Handlung (z.B. Manipulation von Sicherheitseinrichtungen) das Leben oder die Gesundheit von Beschäftigten gefährdet.
Verpflichtung zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet die Arbeitgeber laut § 5 ArbSchG dazu, eine Bewertung der potenziellen Gefährdungen am Arbeitsplatz vorzunehmen. Ziel ist es, mögliche Gefahren zu identifizieren und entsprechende Schutzmaßnahmen umzusetzen, um die Sicherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten.
Werden solche Beurteilungen nicht durchgeführt, erhöht sich das Risiko für die Arbeitnehmer z.B. einen Arbeitsunfall zu erleiden. Um die Einhaltung dieser Pflicht sicherzustellen bzw. durchzusetzen, sieht das ArbSchG in den §§ 25 und 26 Bußgelder bzw. Strafen vor.
Gefährdungsbeurteilung Strafe
Grundlagen für Bußgelder (Ordnungswidrigkeiten)
An der obersten Stelle steht § 209 SGB VII, worauf nachfolgende Bußgeldregelungen aufbauen:
Nach § 25 Abs. 1 ArbSchG kann der Arbeitgeber bei Verstößen mit einem Bußgeld belegt werden. Dabei enthält der § 25 Abs. 1 ArbSchG selbst keine konkreten Tatbestände, sondern legt lediglich fest, dass Handlungen, die in weiteren Rechtsvorschriften definiert sind, ordnungswidrig sind, wenn sie auf diese Regelung verweisen. Der Fachbegriff dieser Gesetzgebungstechnik nennt sich „Qualifizierte Blankettverweisung“ und bedeutet, dass die eigentliche Definition der Ordnungswidrigkeit in weiteren Regelungen festgelegt wird, während das Gesetz nur den Rahmen dafür schafft.
Ein Beispiel hierfür ist die Betriebssicherheitsverordnung, die auf Grundlage von § 18 ArbSchG erlassen wurde. Im § 22 der BetrSichV sind verschiedene Verstöße aufgelistet, die auf § 25 Abs. 1 ArbSchG zurückverweisen. Nach § 22 Nr. 1 BetrSichV handelt jemand ordnungswidrig, der eine vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung nicht oder nicht rechtzeitig durchführt. Verstöße gegen diese Pflicht können mit Bußgeldern von bis zu 5.000 Euro geahndet werden (§ 25 Abs. 2 ArbSchG).
Es existiert sogar ein eigener Bußgeldkatalog zur Betriebssicherheitsverordnung (LV 62), in dem die Verstöße einer konkreten Bußgeldhöhe zugewiesen sind.
Darüber hinaus wurden noch weitere Bußgeldkataloge veröffentlicht:
1. Arbeitsstättenverordnung (LV 56) – Beispiele:
- Die Gefährdungsbeurteilung nicht korrekt, vollständig oder rechtzeitig gemacht
- Die Raumtemperatur ist zu niedrig oder zu hoch
- Bildschirm oder Bildschirmgerät ist ungeeignet
- Beschäftigte wurden vor der Tätigkeitsaufnahme nicht unterwiesen
2. Bußgeldkatalog zur Biostoffverordnung (LV 61) – Beispiele:
- Gefährdungsbeurteilung nicht durchgeführt
Rechtsverordnungen ohne eigenen LV-Bußgeldkatalog
3. Bußgelder nach Gefahrstoffverordnung §22 Abs. 1 Nr. 1
- Ordnungswidrig im Sinne des § 26 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b des Chemikaliengesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 6 Absatz 8 Satz 1 eine Gefährdungsbeurteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig dokumentiert.
4. Bußgelder nach Arbeitssicherheitsgesetz § 20 Abs. 1 Nr. 1
- Keine Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellen/beauftragen
Gefährdungsbeurteilung Strafe
Grundlagen für Geld- und Freiheitsstrafen (Straftaten)
Unterlässt ein Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung vorsätzlich und bringt dadurch die Gesundheit oder das Leben der Beschäftigten in Gefahr, kann dies gemäß § 26 Nr. 2 ArbSchG auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Wird etwa durch die vorsätzliche Nichtvornahme der Gefährdungsbeurteilung eine solche Gefährdung hervorgerufen, kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verhängt werden.
Weitere Grundlagen für Geld- und Freiheitsstrafen in anderen Regelwerken:
- § 23 BetrSichV
- § 9 ArbStättV
- § 21 BioStoffV
- § 27 Absatz 2 bis 4 ChemG i.V.m. § 22 Absatz 2 GefStoffV
Gefährdungsbeurteilung Strafe
Fazit zu Gefährdungsbeurteilung und Strafe:
Sie haben eine gesetzliche Verantwortung im Arbeits- und Gesundheitsschutz
Um ein s.g. betriebliches Organisationsverschulden zu vermeiden, müssen Sie eine systematische Arbeitsschutzorganisation aufbauen oder deren konkrete Schritte (z.B. Gefährdungsbeurteilungen) umsetzen zu lassen – beispielsweise durch einen Geschäftsführer oder eine Führungskraft. Jedoch verbleibt die Gesamtverantwortung generell beim Unternehmer bzw. Inhaber, dem auch die Kontroll- und Aufsichtspflicht obliegt. Andernfalls droht ein Bußgeld oder sogar eine Strafe gemäß § 130 OWiG.
Letztendlich kommt es immer auf die konkrete Handlung im Einzelfall an, ob die unterlassene Gefährdungsbeurteilung eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat darstellt.
„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.“
(§ 17 StGB – Verbotsirrtum)
Das heißt: Wenn Sie es „vergessen“ die Gefährdungsbeurteilung zu erstellen oder von dieser Verpflichtung nicht „gewusst haben“, ist dies schonmal eine Ordnungswidrigkeit und wird mit einem Bußgeld geahndet. = Mindestfolge, die Sie zu befürchten haben.
Wenn Sie eine Gefährdungsbeurteilung vorsätzlich nicht erstellen und dadurch zusätzlich eine Gefährdung von Gesundheit oder Leben der Beschäftigten entsteht, ist dies eine strafbare Handlung. = Worst case, den Sie zu befürchten haben.